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Hugo von Hofmannsthal: Prinz Eugen der edle Ritter. Sein Leben in Bildern. Wien 1915.

Ernst Seibert

12.02.2023

Der sehr aufwendig gestaltete Prachtband mit 12 ganzseitigen Original-Lithographien von Franz Wacik (1883-1938), bei  L. W. Seidel & Sohn erschienen, war ein sehr populäres Werk des damals 41-jährigen Hugo von Hofmannsthal (1874-1929); es fällt in eine Schaffensphase, in der er bereits auf einen Gutteil seiner großen weltliterarischen Werke zurück blickt: Der Jedermann liegt bereits weit zurück; unmittelbar davor entstanden Der Schwierige (1910), Ariadne auf Naxos (1911/13) und Die Frau ohne Schatten (1913-15) und im gleich Jahr 1915 Aufsätze und Reden: Krieg und Kultur und Wir Österreicher und Deutschland. Die Erwähnung dieser Werke erscheint deshalb wichtig, weil in nicht wenigen von ihnen Themen und Motive vorliegen, die in diesem aus der allgemeinen Kinder- und Jugendliteratur der Kriegsjahre herausragenden Werk wiederkehren. So wäre etwa anzuregen, die Mutter in Prinz Eugen mit der in Jedermann zu vergleichen

Auf politischer Ebene muss die Prinz Eugen-Gestaltung im Zusammenhang mit der damals intensiv diskutierten Mitteleuropa-Idee gesehen werden, für die sich Hofmannsthal sehr interessierte, wobei er der Friedrich Naumann-Denkschule gewiss kritisch gegenüber stand.

Das vorwiegend biographische Werk schildert Eugens Werdegang in sehr ausführlichen Stationen und in anspruchsvollem pathetischem Stil, begleitet durch die zwölf ganzseitige Lithographien Waciks. Dabei ist es Hofmannsthal darum zu tun, unterstützt durch die andeutungsvolle Bildgestaltung des zu dieser Zeit ebenfalls schon berühmten Illustrators, das Heldenhafte im Kampf Eugens als Vorbild für den Kampf um die Einheit Österreichs und seine europäische Sendung zu bekräftigen. Dramatischer Höhepunkt in der künstlerisch dynamisch durchkomponierten Anordnung der Bilder ist zweifellos das Bild 2, in der Eugen 1683 bei der Verteidigung Wiens gegen die Türken dargestellt ist. Es korrespondiert mit der Schlussgloriole (Bild 12), in der Soldaten im Krieg 1914 erkennbar sind und hinter ihnen als Nebelbild der zu Pferde kämpfende Prinz Eugen als historisches Vorbild.

Das Werk ist keineswegs nur für jugendliche Leser gedacht, sondern mit seinen sprachlich in eine hohe Stilebene aufsteigenden sowie auch historisch weit ausholenden Erklärungen eher Lektüre für den ästhetisch anspruchsvollen, geübten Leser, dessen Interesse über das Thema hinaus mehr an dessen künstlerischen Gestaltung gelegen ist. Es kann gewiss in Frage gestellt werden, ob Hofmannsthal hier eilfertig dem Wunsch nach Kriegspropaganda nachgekommen ist, wofür einige aktualisierende Sätze, als Anhaltspunkte geeignet erscheinen mögen, oder ob er sich nicht vielmehr durchaus bewusst über weite Strecken wenn auch in sehr pathetischer Sprache dem Experiment einer Historienmalerei hingegeben hat, um sich der vordergründigen Propaganda vielmehr zu entziehen. Für diese Relativierung spricht auch, dass das Buch eines einer ganzen Serie mit dem Titel „Österreichs Ruhmeshalle“ ist und insofern eigentlich eine Ausnahme, als darin durchwegs Künstlerpersönlichkeiten wie Franz Grillparzer, Marie von Ebner-Eschenbach, Joseph Haydn und Franz Schubert vorgestellt wurden, also Biographien weitab von irgendwelchen Kriegsbezügen.

01.01.2023

Gerlachs Jugendbücherei


Vortrag von Ao. Univ.-Prof. Dr. Manfred Tschurlovits für die 107. Jahresversammlung der Gesellschaft der Bibliophilen e.V.  am 16.  Juni 2006 in Salzburg und im Rahmen der Ausstellung „Unter Büchern. Bibliophiles – Exlibris - Künstlerbücher“ am 6. Oktober 2009 im Künstlerhaus in Wien. 

Ein Büchersammler erzählt

Rudolf Novak

21.05.2021

Von Büchersammlern ist bekannt, dass sie sich  einem Spezialgebiet widmen, etwa medizinischen Büchern, Kräuterbüchern, dem Bergbau oder anderen Forschungsbereichen. Bücher können aber auch die Hintergrundinformation über Sammelgebiete sein, für Gläsersammler, Fächersammler, Münzensammler usw., im vorliegenden Fall um einen Sammler historischer Waffen.

Von einer kleinen Sammlung meines Vaters ausgehend wollte ich auch Bücher darüber lesen, was aber zur Zeit meiner Jugend gar nicht so einfach war. Die Situation beschreibt der Waffenhistoriker Gerhard Seifert (1923 – 2007) in seinem 1962 erschienenen Buch „Schwert, Degen, Säbel“ wie folgt: „Durch den 2. Weltkrieg und seine Folgen wurde in Deutschland die bis dahin kontinuierliche Entwicklung der Waffenkunde unterbrochen. Nicht nur ganze Waffensammlungen gingen verloren, sondern auch die gesamte Fachliteratur verschwand von der Bildfläche – teils durch Kriegsereignisse, teils durch Desinteresse ihrer sachunkundigen Besitzer. Ein waffenkundliches Werk gehört heute zu den größten Raritäten der Antiquariate. Neuerscheinungen, die dem Sammler eine breitere Orientierung ermöglichen, sind in Deutschland – sieht man speziell von der Schußwaffenliteratur ab – noch nicht festzustellen.“ Erst Anfang der 70-er Jahre hat sich diese Situation verändert, neue Sammler und neue Historiker traten auf den Plan. Aber bis dahin war ein altes Werk nur schwer zu finden.

1972, als ich an der Universität in Bukarest tätig war, durchkämmte ich die wenigen dort vorhandenen Antiquariate. In einem fand ich eine Rarität: Es war die Faksimileausgabe von „Gaya’s Traité des Armes“, London 1911 (das Original war 1678 erschienen), herausgegeben von Charles Ffoulkes mit einem Vorwort des Viscount Dillon.  Den 171 Seiten des Originals ist von Ffoulkes eine erklärende Einleitung von 36 Seiten vorangestellt, der Faksimiledruck ist etwas größer (13,5 x 19,3 cm) als das Original (8,5 x 15 cm), der Einband in Kunstpergament.  Das eingeklebte Buchhändleretikett zeugt von einem Erwerb in Paris (Librairie Universitaire J. Gamber, 7 rue Danton, Paris VI), was nicht verwunderlich ist, weil die gebildeten Kreise Rumäniens damals auf die französische Kultur ausgerichtet waren und nicht auf die deutsche, obwohl der König aus dem deutschen Fürstenhaus Hohenzollern-Sigmaringen stammte (das mehrheitlich deutsche Siebenbürgen war damals noch ungarisch).

Beim Erwerb hatte ich keine Ahnung von der Bedeutung des kleinen Werkes. Die Einleitung von Charles Ffoulkes, damals der Leiter der Waffensammlung im Londoner Tower (heute in Leeds), öffnete meinen Blick auf größere Zusammenhänge. Der Autor des Vorwortes ist  Harold Viscount Dillon (1844 – 1932), der ersten Kurator der Sammlung im Tower, die bis dahin vom War Office (Kriegsministerium) verwaltet worden war, das die historische Bedeutung der Objekte unbeachtet ließ. Dillon war der erste, der die Waffen und Rüstungen des Tower historisch kritisch erforschte und zahlreiche Richtigstellungen machen konnte. Ffoulkes hatte ihm daher viel zu verdanken, weshalb er ihn um das Vorwort gebeten hatte. Der Herausgeber schildert die Entstehung und Bedeutung dieses Werkes, die darin liegt, dass es sich um das erste Buch handelt das nicht nur die Handhabung der Waffen, sondern auch ihre historische Entwicklung schildert. Das hat es bis dahin nicht gegeben, die Waffenbücher waren Handbücher zur Anleitung über den Waffengebrauch, eine historische Betrachtungsweise war unbekannt. Hier ist dies erstmals der Fall, was auch im Titel deutlich wird:  „Traité des Armes….Anciens & Modernes;…“

Nach und nach wurde mein Wunsch immer größer, die Originalausgabe dieses Werkes zu besitzen. Seit 1976 in Paris tätig, durchkämmte ich dort die Antiquariate, war regelmäßiger Kunde in der Militaria-Fachbuchhandlung Pierre Petitot (die einzige in Frankreich), der alljährlich zwei Angebotskataloge herausgegeben hat. Aber nie erschien de Gaya. 1990, als ich wieder in Wien lebte, wurde es doch bei ihm angeboten, aber die dafür erforderlichen FF 2.800.- waren zu viel für mich.

Die Jahre vergingen, inzwischen war das Internet zur Such- und Ankaufshilfe geworden. 2015 entschloss ich mich nun doch  das Werk zu kaufen, falls es auftaucht. Tatsächlich bot es ein amerikanischer Händler um $1.200 an, zu viel für meine Vorstellungen. Bald darauf bot es ein Pariser Händler um € 600.- an. Es war kurz vor Weihnachten, ich zögerte. Als ich mich doch zum Kauf entschied, war das Werk schon verkauft. Wiederholt hielt ich danach Ausschau, stieß im Februar 2017 bei einem Londoner Händler auf das sensationelle Angebot von 300 Pfund. Es war ein Fachantiquariat für Pflanzen- und Botanikbücher, wo dieses Buch förmlich ein Irrläufer war. Rasch war der Kauf abgeschlossen,  nach 55 Jahren war dieses Werk endlich in meinem Besitz. Es ist ein Meilenstein in der Geschichte der historischen Waffenkunde, selten, und daher eine besondere Freude des Sammlers. Übrigens wurde es einem Bleistiftvermerk nach bei Petitot (!) im Dezember 1975  um FF 1.700.- erworben, zwei Jahre bevor ich mit ihm bekannt geworden bin.

Das schiefe Buch

Ernst Fischer

31.03.2021

„Das schiefe Buch“ mit dem irritierenden Titel „He Hoppla Annazeinsemirn“, 1922 von dem Amateur-Literaten Kurt Hirschfelder im Selbstverlag herausgegeben. Das Buch suchte mit Gewalt aufzufallen durch ein ungewöhnliches siebeneckiges Format (mit grünem Schnitt, tw. „rosarot“ eingefärbtem Papier) und die Tatsache, dass es – wie hebräische Bücher – von hinten nach vorne gelesen werden will. Die selbstironische Widmung an „Ihr Millionen meiner Leserschar!“ unterstreicht ganz offen, dass der Autor mit diesem Büchlein Aufmerksamkeit auf dem Literaturmarkt erregen wollte. Das dürfte allerdings kaum gelungen sein – kein Wunder, angesichts des nicht gerade ansteckenden Humors, den der Verfasser in seinen Gedichten auf den folgenden 70 Seiten an den Tag legt.

Interessant aber vielleicht doch die Frage, ob es sich Ihrer Ansicht nach bei solchen, das gewohnte rechteckige Format verlassenden Veröffentlichungen um ein lohnendes Sammelfeld handeln könnte? Sicherlich stößt man im Bereich des Künstlerbuchs auf vielfältigste Variationen der gewohnten Buchform, aber gibt es das auch beim sogen. „Gebrauchsbuch“? Am ehesten dürfte das bei Kinderbüchern zu beobachten sein; so etwa hat 2007 der Bajazzo Verlag unter dem identischen Titel „Das schiefe Buch“ ein (in der Originalausgabe 1910 erschienenes) Kinderbuch von Peter Newell in der Übersetzung von Roger Willemsen herausgebracht. Andere  scherzhafte Ausprägungsformen ungewöhnlicher Buchformate werden repräsentiert beispielsweise durch das von Jürgen Kron 1998 bei Eichborn herausgebrachte „Dosenbier-Buch“. Kennt jemand Beispiele aus früheren Jahrhunderten?